PoEsieam Sonntag

erbauliche Texte zum Wochenbeginn im Herbst 2015

 

I

   "Gerümpel!" schrie sie mit schriller Stimme und blickte mit ihren entsetzt aufgerissenen rehbraunen Augen ins völlig zugemüllte Wohnzimmer. Traurig erwiderte Rümpel ihren Blick, erhob sich umständlich vom Sofa, bevor er die Wohnungstür leise hinter sich schloss und in der frierenden Dunkelheit dieses Abends verschwand ...

 

II

    Als Rümpel am nächsten Morgen endlich aufwachte, war es bereits heller Tag. Langsam erinnerte er sich an seinen Hinauswurf am Vorabend. In einem plötzlichen Wutanfall kickte er die seit gestern geleerten Wodkaflaschen in den unter ihm vor sich hin tümpelnden Rinnsal und registrierte erst jetzt den beißenden Uringeruch unter der Brücke, die in dieser Nacht das eheliche Wasserbett ersetzte. Rümpel versuchte, seine Armbanduhr auf Winterzeit zurückzudrehen. Ein leises Knacken verriet ihm das Brechen der Unruhe. "Scheiße!" Mit einem Fluch auf den Lippen und einem weiteren Riss im Herzen betrat Rümpel den nächstgelegenen Laden, aus welchem er umgehend wieder hinausflog. "Wir ordnen unser Musiksortiment nicht nach sexueller Präferenz, sie Perversling!" schrie ihm die Ladenbesitzerin nach, und erst jetzt merkte er, dass es keine Uhrenhandlung war, in der er nach einem neuwertigen Bi-Metal-streifen verlangte ...

 

III

   „Lieber hochschwanger als niederträchtig“, dachte sie sich, als sie sich endlich des vermüllten Wohnzimmers bemächtigt hatte. Sie machte sich auf den Weg, suchend, und folgte seinen sich langsam auflösenden Spuren. Schließlich fand sie ihn – einem Alien gleich der borderline entlang schrammend – erkannte ihn an seinen völlig zerfurchten Organen. „Geh, Rümpel! Bleib stehen!“ flötete sie, wie immer viel zu hoch für sein sensibles Gehör, "Kannst du dich nicht einmal eindeutig erklären?" schrie er ihr entgegen und nahm Anlauf für einen emotionalen Sprung über die grüne Grenze: „Auf tauch ich nur mehr, falls sie es wirklich verlangt …“

 

IV

   Ihr Ärger schmolz dahin, als sie ihn sich so verflüchtigen sah. Ihre Augen verließen das tieftraurige schwarz und strahlten wieder in rehbraunem Glanz, als sie sich bei einer Tasse Grüntee die Ohren mit Green Day zustoppelte. "Eigentlich könnte ich mich wieder einmal nützlich machen", überlegte sie, und beschloss, Grün-Dung-Mitglied in einer der jungen Gärtnereien in der Nähe zu werden. "Irgendetwas wird schon wachsen ..." Währenddessen schwamm Rümpel die Zeit davon. Ihm war sein immer noch Unruhe-loser Chronometer in einen grünen Teich gefallen, und da er kein Uhrheberrecht besaß, konnte er dem Entfließen der Zeit nur zusehen."

 

V

   Endlich ist die Wetterlage so günstig, dass wir unsere Schneekanonen auspacken und uns auf den Winterterrorismus konzentrieren können; Fachgruppenexkursionen aus dem Mittleren und Nahen Osten zur Erforschung der Herkunft von Familienmitgliedsvernichtungswaffen werden hoffentlich spärlicher werden und bei freiwilliger Rückkehr können für absolvierte Deutschkurse bis zu 3 credits an der Hindukusch-Universität geltend gemacht werden ...

 

VI

   Er sollte sich wieder einmal über das Weltgeschehen informieren, dachte Er sich und stolperte über tausende Paar Schuhe, die völlig ihres Innenlebens beraubt in Paris demonstrierten ... Er war sich nicht ganz im Klaren, ob für oder gegen den Weltklimagipfel, kam aber nach reichlichem Nachdenken zu einer synergetischen Erkenntnis: Flüchtlinge - auch in Europa - sind durchwegs gute Fußgänger und daher sehr arm an CO2-Ausstoß; das sollte man sich zunutze machen ... gut fußende Flüchtlinge könnte man mittels zäunender Leitsysteme auf Autobahnen einsetzen, um notorischen RaserInnen entgegenzutreten ... Botengänge und -läufe könnten von Flüchtlingen übernommen werden; das spart Transportkosten, schont die Umwelt und die Flüchtlinge sind ohnehin schon unterwegs ... Zufrieden lehnte Er sich zurück, genoss den ersten Adventsonntag und überlegte, welches Ministerium er mit seinen göttlichen Ratschlägen beglücken solle ...